Die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen scheinen nahezu unbegrenzt zu sein. Doch wenn es um den Einsatz solcher Systeme in konkreten Einzelfällen geht, gibt es oft Probleme in der praktischen Anwendung. Der Einsatz von Drohnentechnologie kann etwas weniger attraktiv sein, wenn es beispielsweise Schwierigkeiten bei der Bedienung oder einen Mangel an unkomplizierten Lösungen gibt. Oftmals kommen die potenziellen Nutzer aus einem ganz anderen technischen Bereich und wollen die Drohne nur als Hilfsmittel einsetzen. Zeitliche Einschränkungen erschweren den Einsatz von solchen zwar umfangreichen, jedoch kontraintuitiven Systemen zusätzlich. Nicht zuletzt können rechtliche Bedenken die Teams vor dem Einsatz von Drohnen zurückschrecken lassen. Infolgedessen kommt der Einsatz von Drohnen oft nicht zustande, obwohl sie potenziell das Leben von Menschen und Tieren retten könnten. Dieses Problem erstreckt sich auf viele verschiedene Anwendungsbereiche, z. B. die Rettung von Rehkitzen, die Brandbekämpfung und die Überwachung der Infrastruktur.
Wir setzten uns mit solchen Teams in Verbindung und untersuchten verschiedene Ideen, wie sie die Effizienz ihrer spezifischen Arbeitsabläufe verbessern und die Zusammenarbeit während des Einsatzes optimieren könnten. Das Gespräch über ihre individuellen Probleme half uns zu verstehen, welche spezielle Unterstützung für sie von Vorteil wäre. Auf diese Weise konnten wir feststellen, wie eine mögliche technische Lösung eingesetzt werden könnte und welche Vorteile sie bieten würde. Mit all diesen Überlegungen im Hinterkopf haben wir ein Konzept formuliert, das eine maßgeschneiderte Plattform enthält, die Teams hilft, die von der Datenerhebung aus der Luft profitieren können.
Projektidee
Das Projekt Rekari – intuitive Plattform für verschiedene Drohneneinsätze wurde im Rahmen von „Jugend forscht“, Deutschlands bekanntestem Nachwuchsforscher-Wettbewerb erarbeitet. Die Idee für die Smartphone-App, mit der sich Drohneneinsätze auf unkomplizierte Weise planen und ausführen lassen, hatten die beiden Jungforscher Tim Arnold und Felix von Ludowig am Hanns-Seidel-Gymnasium Hösbach entwickelt.
Das Ziel unserer Plattform Rekari ist es, eine praktikable Lösung anzubieten, die die oben genannten Faktoren berücksichtigt. Wir wollen eine Plattform schaffen, die es Teams ermöglicht, Drohneneinsätze mit minimalem Aufwand zu planen und zu koordinieren. Der große Vorteil ist, dass dies mit unserer App in Echtzeit auf dem eigenen Smartphone erfolgen kann. So wird im regulären Betrieb außer der Drohne selbst keine weitere Hardware benötigt. Die Smartphone-Applikation unterstützt den Nutzer bei allen Schritten, von der Missionsplanung bis zur Auswertung der Bilder. Flugverbotszonen und gesetzliche Vorgaben werden bei der Planung einer Mission direkt berücksichtigt. Bei der Entwicklung der Plattform wurde besonders auf Kollaborationsfunktionen geachtet. Diese Funktionen bieten den größten Mehrwert im Vergleich zu bestehenden Systemen. Herzstück ist unsere Cloud-Lösung, die alle Prozesse koordiniert und die plattformübergreifende Nutzung des Systems ermöglicht. Auf diese Weise kann nicht nur der Pilot auf relevante Daten zugreifen, wie es bei herkömmlichen Lösungen der Fall ist. Dadurch können vermeidbare Zeitverluste im Feld vermindert werden. Sobald neue Daten von der Drohne verfügbar sind, werden sie von unseren anpassbaren, hochmodernen KI-Algorithmen in Echtzeit analysiert. Je nach Einsatzsituation kann der integrierte Auswertungsprozess entsprechend angepasst werden. Durch die Anpassung des gesamten Workflows auf verschiedene Anwendungen erlaubt das Rekari-System Drohnen direkt dort einzusetzen, wo sie einen Vorteil in der Praxis liefern, ohne der Notwendigkeit langer Vorbereitungen.
Konzept
Im Einklang mit dem transformativen Potenzial der Drohnentechnologie soll unser Projekt zu dieser Entwicklung beitragen. In Anerkennung der entscheidenden Rolle, die Drohnen beim derzeitigen Paradigmenwechsel spielen, haben wir es uns mit diesem Projekt zur Aufgabe gemacht, eine Drohne von Grund auf zu entwickeln. Dazu gehört eine umfassende Erforschung der Flugelektronik und des Hardware-Designs, die sich mit den Feinheiten der Avionik, der Sensorik und der Steuerungstechnik befasst. Das bedeutet, dass wir sicherstellen mussten, dass die Drohne sicher fliegt und alle Flugfunktionen unterstützt, die für die später hinzukommenden autonomen Funktionen erforderlich sind. Darüber hinaus lag unser Fokus zunächst auf einer kostengünstigen Umsetzung, während wir später die Hardware-Features um eine Wärmebildkamera und andere ergänzende Komponenten erweiterten.
Der Fokus unserer Entwicklungsarbeit lag für uns immer auf der Benutzerfreundlichkeit. Daher war für uns von Anfang an klar, dass die Bedienung des Systems komplett über die App möglich sein sollte. Außerdem war es wichtig, Fehler und andere Vorkommnisse transparent und einfach an den Nutzer zu kommunizieren. Mit diesen Anforderungen im Hinterkopf begannen wir mit dem Bau unseres ersten Prototyps, einschließlich der Serverarchitektur, der App und unserer eigens entwickelten Drohne. Vor dem Hintergrund bestehender Lösungen haben wir unseren eigenen Ansatz evaluiert, um uns in entscheidenden Bereichen wie Teamarbeit, Benutzerfreundlichkeit und situativer Führung zu unterscheiden. Unser Konzept für das Minimum Viable Product sieht vor, dass die komplette Drohnenmission von der Planung bis zur abschließenden Datenauswertung durchgeführt werden kann. Daher musste der völlig neue Ansatz der Teamarbeit von Grund auf neu implementiert werden. Darüber hinaus wurde eine Kommunikationsstrategie von der App über den Server zur eigenen Drohne ausgearbeitet. Es war sofort klar, dass wir uns mit einer Vielzahl von modernen Produktdesigntechniken vertraut machen mussten. Dazu gehörten Software- und Hardwaredesign sowie Kenntnisse über Steuerungstheorie und fortgeschrittene Sensorfusion.
Da dieses Projekt zum Teil während des Corona-Lockdowns durchgeführt wurde, waren viele Komponenten und Messinstrumente knapp. Wir sind froh, dass wir uns auf unterstützende Partner verlassen konnten. Allerdings haben wir unser Know-how nicht von diesen Unternehmen erhalten.
Realisierung
Die Zuverlässigkeit ist bei unserer Drohne besonders wichtig, da im Falle einer Störung physische Schäden nicht ausgeschlossen werden können. Um die Flugplattform ideal an unsere Hardware-Anforderungen anzupassen, haben wir uns für die Konstruktion eines eigenen Frames mittels 3D-Druck entschieden. Auf diese Weise war es möglich, in einem iterativen Ansatz auf der Grundlage eines digitalen Zwillings die perfekte Balance zwischen Widerstand und Gewicht zu finden. Der aktuelle Prototyp ist mit vier bürstenlosen Motoren ausgestattet, wie in Abbildung 2 oben zu sehen. Diese Konfiguration in Kombination mit dem Frame ermöglicht es der Drohne, mit nur 30 % der maximalen Motordrehzahl zu schweben, was für unsere Anwendung ideal ist. Aufgrund der benötigten Energie kamen wir schnell zu dem Schluss, dass ein Lithium-Polymer-Akku mit 5000 mAh dank seiner hohen Energiedichte die beste Wahl ist. Für die Steuerung der Drohne haben wir sowohl soft- als auch hardwareseitig einen eigenen sogenannten Flight Controller entwickelt. Er ist in erster Linie für alle unmittelbaren Vorgänge an der Drohne zuständig. Er dient dazu, die Drohne mittels eines zeitkritischen Algorithmus zu stabilisieren und die Drohne entlang vordefinierter Wegpunkte zu navigieren. Der Flugcontroller steht in ständiger Kommunikation mit dem Flugcomputer an Bord, der unter anderem die Verbindung zu den Kameras herstellt. Der Flugcomputer kommuniziert außerdem über eine mobile Datenverbindung mit der Cloud und nimmt auch Befehle entgegen. Um dem Nutzer eine Orientierung zu geben und Informationen zusammenzustellen, musste eine App für das Smartphone entwickelt werden. Uns war es wichtig, dass die App sowohl auf Android- als auch auf iOS-Geräten läuft. Die Anwendung sollte auch mit älteren Geräten kompatibel sein, um die Einstiegshürde so gering wie möglich zu halten. Bei einer dauerhaften Internetverbindung hält die App einen TCP-Socket zur Serveranwendung offen. Dies ermöglicht uns eine Kommunikation in Echtzeit. Das Back-End verwendet eindeutige IDs, um den Socket einem Client zuzuordnen und zu erkennen, welche Benutzer in welcher Rekari-Aktion anwesend sind, um alle Prozesse zu verwalten. Das bedeutet, dass Daten, die auf einem Client geändert werden, sofort auf einem anderen sichtbar sind. Offensichtlich erstreckt sich das Projekt über viele technische Bereiche, was es uns ermöglichte, unser Wissen zu kombinieren, um verschiedene Teile wie das Drohnenmodell und die Serverarchitektur zu planen. Natürlich sind wir auch auf Hindernisse gestoßen, die uns dazu zwangen, einige Komponenten neu zu entwerfen, da wir ein tieferes Verständnis für das Systemdesign erlangten. Vor allem die Echtzeit-Kommunikationskomponenten haben sich als besondere Herausforderung erwiesen, da End-to-End-Tests im Feld durchgeführt werden mussten.
Funktion
Zunächst werden in der Rekari-App die Eckpunkte des gewünschten Gebiets definiert. So kann unser Routenalgorithmus den Umfang eines Feldes systematisch in einzelne Wegpunkte für die Drohne umwandeln. So wird sichergestellt, dass das optische Sensorsystem jeden Punkt des zu überfliegenden Gebietes abdeckt. Der Benutzer hat dann immer noch die Möglichkeit, die Wegpunkte fein abzustimmen, um geografische Besonderheiten zu berücksichtigen. Das Ergebnis ist eine Mission, die ein ganzes Gebiet abdeckt und dabei den kürzestmöglichen Flugweg hat. Wir nennen eine Rettungs-, Such- oder Flugaktion eine „Rekari-Aktion“. Diese bündelt alle Informationen über Teilnehmer, gefundene Objekte, Drohnen und Einsätze in einer klaren Übersicht. Wenn andere App-Nutzer in der Nähe sind, wird ihnen die neue Rekari-Aktion in der App angezeigt. Das macht es für andere einfach, ohne Hürden mitzumachen. Sobald sich die Nutzer in der App einen Nickname ihrer Wahl ausgesucht haben, werden sie auf der gemeinsamen Karte angezeigt. Aktive Drohnen können im Rahmen einer Rekari-Aktion über den gleichen Ansatz der Nähe hinzugefügt werden. Aus Sicherheitsgründen erfordert unser System, dass pro Drohne ein Nutzer als Pilot bestimmt wird. Andere Teilnehmer sind nicht an der Überwachung der Drohne beteiligt. Der letzte Schritt vor dem Start der Rekari-Aktion besteht darin, die zuvor erstellte Mission zur Aktion hinzuzufügen. Der Datenaustausch in Echtzeit bietet viele praktische Vorteile für das Team. Jeder Teilnehmer kann seinen eigenen Überblick über alle Daten haben. Bei früheren Lösungen erhielt nur der Pilot eines Geräts die Statusinformationen der Drohne. Sobald die Piloten sich für einsatzbereit erklären, kann die ausgewählte Mission auf die Drohnen hochgeladen werden. Vor dem Start wird die Drohne auf mechanische Defekte überprüft und dies in der App bestätigt. Während der Rekari-Aktion müssen die Piloten nun jeweils ihre zugewiesene Drohne betreuen und bei Fehlfunktionen eingreifen. Außerdem müssen die Drohnen überwacht werden, um sicherzustellen, dass sie die ihnen zugewiesenen Routen genau einhalten und nicht mit Hindernissen kollidieren. Die Bilder werden während des Fluges aufgenommen und automatisch zum Server hochgeladen. Sobald ein Bild von der Drohne aufgenommen wurde, wird es von unserem System verarbeitet. Es gibt zum Beispiel einen speziellen Algorithmus, der programmiert ist, um Kontraste zu erkennen, wie im Falle eines Hotspots bei der Suche nach Rehkitzen. Sobald ein Luftbild verarbeitet wurde, können alle Teilnehmer die gefundenen Punkte in Echtzeit sehen. Es ist auch möglich, die Koordinaten dieser Punkte zu exportieren. Nun können die Teammitglieder ihre Bemühungen entsprechend ihrem Standort koordinieren. Nach einem Waldbrand zum Beispiel können die Löschmannschaften viel schneller zu den Glutnestern geschickt werden, da die mühsame Übermittlung von Koordinaten über Funk entfällt.
Innovation und Nachhaltigkeit
Schließlich vereint unsere Plattform viele neue Ansätze für den Drohneneinsatz. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der App, die Rekari mit ihren einzigartigen Kollaborationsfunktionen von bestehenden Lösungen abhebt und die Nutzer durch die Arbeitsschritte führt. Insgesamt stecken in Rekari bereits zweieinhalb Jahre Entwicklung, in denen wir eine Drohne von Grund auf für autonome Einsatzzwecke entwickelt haben. Es wurde eine Cloud-Infrastruktur geschaffen, die Daten bidirektional in Echtzeit verarbeiten kann und viele gleichzeitige Operationen bewältigen kann. Das Ergebnis sind über 50.000 Codezeilen, die sich im Laufe des gesamten Projekts angesammelt haben.
Natürlich haben wir Ideen, wie wir das Projekt auch nach dem Wettbewerb weiter vorantreiben können. Wir planen zum Beispiel auch eine Offline-Lösung anzubieten, bei der keine Kommunikation mit der Cloud erforderlich ist und alle Berechnungen lokal ausgeführt werden. Damit wird es möglich sein, eine Rekari-Aktion auch dann auszuführen, wenn die Internetverbindung unterbrochen ist. Wir planen auch, die App weiter zu optimieren, so dass jeder Schritt des Prozesses dem Nutzer durch eine Illustration noch deutlicher gemacht wird. Außerdem wollen wir den aktuellen Prototyp mit dem Flugcomputer und dem Controller auf einer einzigen Platine vereinen. So kann die Hardware ausfallsicherer in der Drohne eingesetzt werden. Außerdem wollen wir die Leiterplatte durch den Einsatz präziserer Sensoren und eines schnelleren Prozessors optimieren. Der nächste große Schritt besteht darin, Rekari zu einem minimal rentablen Produkt zu machen und es gleichzeitig so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Mit Hilfe von weiterem Feedback können wir die nächsten Iterationen der Hard- und Software anstreben. Als nächstes möchten wir untersuchen, welche weiteren Einsatzmöglichkeiten es für Rekari gibt und wie wir in der Praxis mit den Nutzern zusammenarbeiten können. Auf diese Weise wollen wir die Rekari-Plattform zu einem kommerziellen Produkt entwickeln, das von den oben genannten Teams leicht übernommen werden kann.
Der Einsatz von Rekari kann zu erheblichen ökologischen Vorteilen führen. Wie die „Rekari-Effizienzabschätzung“ zeigt, kann unser System zu einer Zeitersparnis von bis zu 45 % im Vergleich zu herkömmlichen Drohnenlösungen führen. Das bedeutet, dass bei der Rettung von Rehkitzen etwa doppelt so viele kleine Rehe in der gleichen Zeit geschützt werden können. Wenn die Teams derzeit überhaupt keine Drohnen einsetzen, kann Rekari die Effizienz bis zu 26 Mal verbessern. Die sozialen Auswirkungen der Kitzrettung im Allgemeinen sind enorm. Viele Landwirte berichten, dass sie tief besorgt sind, wenn sie versehentlich ein Rehkitz überfahren, was leider recht häufig vorkommt.
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