Humanoide Robotik (B.Eng.): BHT Berlin (bht-berlin.de)

Das Team der BHT-Berliner Hochschule für Technik hat im Rahmen eines Studierendenprojekts für den Studiengang Humanoide Robotik eine Soft-Robotic-Hand entwickelt. Dabei wurde das Projektteam von Prof. Dr. Hannes Höppner betreut.

Als Ergebnis sollte eine Roboterhand mit Controller entwickelt werden, die folgende Aufgaben rund um die Tomatenpflanze in einer Gewächshausumgebung erfüllt:

  • Plücken von Tomaten
  • Pflege durch Entfernen von Ablegern Blättern
  • Schneiden von Ästen

Die einzelnen Funktionen wurden abschließend im Rahmen der „Catch-Up“ Challenge im Gewächshaus der BHT getestet.

Das Projekt „Das hält schon – Soft Robotic Hand“ sowie die Entwicklung der Hand wurde durch den wachsenden Bedarf an Automatisierung in der Landwirtschaft inspiriert, insbesondere bei Aufgaben, die manuelle Arbeit in rauen Umgebungen erfordern. Unser Ziel war es, eine Roboterhand zu entwickeln, die den „Kapandji-Test“ (die Daumenspitze kann verschiedene Punkte an der Hand, wie die Finger bzw. die Handfläche, berühren) besteht sowie die Fähigkeit, Objekte unterschiedlicher Größe und Form zu greifen. Da die Handhabung von Tomaten und anderen weichen Gegenständen ein feines Fingerspitzengefühl erfordert, musste die Hand Kräfte erkennen und ihre Greifkraft anpassen.

Primäre Ziele des Projektes:

  • Entwicklung einer weichen Roboterhand, die in der Lage ist, empfindliche Objekte wie Tomaten sanft zu greifen
  • Entwicklung eines Systems, das mehrere Aufgaben ausführen kann,
    einschließlich Pflücken, Ausgeizen, Entblättern und Werkzeugbedienung
  • Entwerfen eines Controllers zur einfachen Bedienung der Roboterhand
  • Entwerfen einer möglichst menschenähnlichen Hand, da eine Hand mit 5 Fingern
    am besten in einer auf Menschen ausgerichteten Umgebung integriert werden
    kann. Ebenfalls studieren wir Humanoide Robotik und haben uns auch aus
    diesem Grund dieses Ziel gesetzt

Die Entwicklung unseres Konzepts erfolgte in den folgenden Schritten:

  1. Recherche: Wir führten umfangreiche Recherchen zu bestehenden Roboterhand- Designs, Soft-Robotik-Technologien und den spezifischen Anforderungen von Arbeitsabläufen in Gewächshäusern.
  2. Brainstorming: Wir hielten mehrere Brainstorming-Sitzungen im Team, persönlich sowie online ab, um Ideen für das Design, die Materialien und die Steuerungssysteme der Hand zu entwickeln. Dadurch ergab sich eine iterative Weiterentwicklung der Hand.
  3. Beratung und Feedback: Wir hielten zweiwöchentliche Fortschrittspräsentationen in der Hochschule ab und erhielten Feedback von Kommilitonen und Prof. Dr. Hannes Höppner. Da jede Präsentation den Schwerpunkt auf einen anderen Aspekt der Hand legte, ergab sich automatisch ein Ablaufplan, welcher die Entwicklung der Hand lenkte.
  4. Prototyping-Plan: Wir entwickelten einen Plan für das iterative Prototyping, wobei wir mit einfachen Designs begannen und nach und nach die Komplexität erhöhten. Der Einsatz von 3D-Druckern war grundlegend für das notwendige Rapid Prototyping, um unsere Hauptziele in dieser kurzen Zeit zu erreichen. Das 3D-Drucken ergab auch einige konstruktive Freiheiten, welche uns das schnelle Testen von verschieden und komplexen Entwürfen ermöglichten.
  5. Aufgabenverteilung: Wir wiesen den Teammitgliedern bestimmte Aspekte des Projekts zu, darunter mechanisches Design, Programmierung, Materialforschung und Fertigung.
  6. Um die Tomaten nicht zu beschädigen haben wir einige Konzepte der Soft Robotics angewandt: Eine weiche Handfläche aus aufgeschäumten TPU (vergleichbar mit einem Schwamm), sowie eine dynamische Ansteuerung, welche bei einwirkenden Kräften nachgibt.

Entwurfsphase:

  • Erstellung detaillierter 3D-Modelle mit Solidworks.
  • Iteration mehrerer Entwürfe zur Optimierung des Designs im Hinblick auf bessere
    Funktionalität, Herstellbarkeit und – sehr wichtig – Wartungsfreundlichkeit.

Prototyping:

  • Es wurden mehrere Prototypen gefertigt, die auf der Grundlage von
    Testergebnisse jeweils optimiert wurden.
  • Die einzelnen Finger, die Motorhalterung und andere Strukturelemente wurden
    aus verschiedenen Materialien im FDM-3D-Druckverfahren hergestellt. Dabei
    kam unter anderem ein 3D-Drucker des Typ BambuLab P1S zum Einsatz.

Integration von Bauteilen:

  • Integration von sechs DYNAMIXEL-Motoren: vier für die Fingerbeugung, einer für die Daumenbewegung und einer für die Steuerung.
  • Es wurden Dyneema-Schnüre als Sehnen verwendet, die durch PTFE-Schläuche
    zu den Motoren geführt wurden.
  • Die Gelenke waren mit Federn für die Fingerstreckung ausgestattet.
  • Eine schaumstoffartige TPU-Handfläche mit variabler Härte wurde für die
    empfindliche Handhabung von Tomaten 3D-gedruckt.
  • Für eine bessere Griffigkeit der Finger wurde Polyurethangummi gegossen.

Entwicklung des Steuerungssystems:

  • Entwicklung von Python-Code zur präzisen Steuerung der DYNAMIXEL-Motoren.
  • Verwendung des DYNAMIXEL-Assistenten für Konfiguration und Tests.

Testen und Verbessern:

  • Durchführung zahlreicher Tests zur Handhabung von Tomaten, zur Bedienung von Werkzeugen und zur Durchführung feinmotorischer Aufgaben.
    • Greifen verschiedener Objekte (z.B. Gartenschere, Stifte, etc.)
    • Messen von Stromstärken zur Kraftermittlung
    • Ausführen der Benchmarks (Pflücken, Ausgeizen, …)
    • Testen verschiedener Ausgangspositionen der Hand vor den einzelnen Benchmarks
  • Auf der Grundlage der Testergebnisse haben wir sowohl die Hardware als auch die Software schrittweise verbessert.

Endmontage:

  • Zusammenbau des endgültigen Prototyps mit allen Komponenten und Steuerungssystemen.

Die Roboterhand führt eine Vielzahl von Aufgaben im Gewächshaus aus:

  1. Tomaten pflücken: Durch die weiche TPU-handfläche kann die Hand die Tomaten ohne Beschädigungen pflücken und ablegen.
  2. Ausgeizen: die präzise Ansteuerung der einzelnen Finger ermöglichte das Entfernen von Trieben. Die dafür notwendigen, komplexen Griffe konnten durch die Opponierbarkeit des Daumens ausgeführt werden.
  3. Bedienung der Gartenschere: Ein Ziel war es, eine Gartenschere zu greifen und zu bedienen. Leider konnten wir dies nicht vollständig erreichen, da die DYNAMIXEL-Motoren nicht genügend Drehmoment liefern. Die Hand ist in der Lage, die Schere aufzunehmen und in die Schneidposition zu bringen.
  4. Steuerungssystem: Die Hand wird von einem Python-basierten System gesteuert, das mit den DYNAMIXEL-Motoren verbunden ist.
    Es können verschiedene vorprogrammierte Griffmuster für unterschiedliche Aufgaben ausgewählt werden.
    Kraftanpassungen in Echtzeit können auf der Grundlage von Rückmeldungen des von den einzelnen Motoren gemessenen Stroms vorgenommen werden. Diese Rückmeldung ermöglicht es der Hand auch, Objekte unbekannter Größe zu greifen, da sie erkennt, wann jeder Finger das Objekt berührt.

Zukünftige Ziele

  • Vereinfachung von Montage und Wartung.
  • Erhöhung der Handkraft bei gleichbleibender Empfindlichkeit.
  • Montage der Hand auf einem Roboterarm zur vollständigen Automatisierung.

Innovation:

  1. Soft-Robotics: Nutzung weicher Materialien, 3D-Druck mit variabler Härte und Kraftschätzung zur Handhabung empfindlicher Objekte.
  2. Vielseitigkeit: Die Fähigkeit der Hand, mehrere Aufgaben zu erfüllen (Pflücken, Ausgeizen, Entblättern, Nutzen einer Gartenschere), macht sie zu einer vielseitigen Lösung für Gewächshäuser oder viele andere Arbeiten in Umgebungen, die für menschliche Hände konzipiert sind.
  3. Präzise Steuerung: Die DYNAMIXEL-Motoren und das Steuerungssystem ermöglichen präzise Bewegungen und Krafteinstellungen.
  4. Anpassungsfähigkeit: Die 3D-gedruckten Komponenten lassen sich leicht für verschiedene Aufgaben oder Pflanzen anpassen.

Vorteile gegenüber anderen Lösungen:

  1. Verwendung von Motoren für jeden Finger zur flexiblen Umsetzung
    verschiedenster Griffe (ein bekannter Hersteller verwendet einen einzigen Motor
    für alle Finger, um einen einzigen Griff umzusetzen)
  2. Einfache Wartung und günstige Reproduzierbarkeit: dies ergibt sich aus unserem
    modularen Aufbau und der Tatsache, dass fast alle Komponenten 3D-Druckbar
    sind.
  3. Schätzen von anliegenden Kräften ohne teure Kraft-Sensoren
  4. Weiches Material in der Handfläche zum schonenden Umgang mit Objekten
  5. Gummierte Fingerspitzen für gute Griffigkeit auf verschiedensten Oberflächen

Nachhaltigkeit:
Ökologisch:

  • Anpassungsfähigkeit: Der modulare Aufbau ermöglicht den einfachen Austausch
    von Teilen und verlängert die Lebensdauer des Systems.
  • PLA ist ein typisches Material für den 3D-Druck, es wird meist aus Maisstärke oder Zuckerrohr hergestellt und ist vollständig biologisch abbaubar.

Sozial:

  • Geringere Arbeitsbelastung: Die Automatisierung sich wiederholender Aufgaben kann die Belastung und den Stress von Arbeitern, die manuelle Tätigkeiten ausführen, verringern.

Ökonomisch:

  • Gesteigerte Effizienz: Die Hand kann länger und mit gleichbleibender Präzision arbeiten.
  • Skalierbarkeit: Der Entwurf kann vervielfältigt und in mehreren Gewächshäusern eingesetzt werden.
  • Kostengünstige Herstellung: Unsere Roboterhand kann fast vollständig im 3D- Druckverfahren hergestellt werden, daher kann sie lokal und kostengünstig produziert werden.

Durch die Kombination innovativer Soft-Robotik-Technologie mit nachhaltigen Designprinzipien soll unser Projekt einen Beitrag zur Zukunft ehizienter und umweltfreundlicher landwirtschaftlicher Praktiken leisten. Auch die Flexibilität einer menschenähnlichen Hand macht sie für viele weitere Anwendungen nützlich, die komplexes Greifen oder eine Vielzahl verschiedener Aufgaben auf einmal erfordern.

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